Kreative Inspiration durch monotone Arbeit mit dem Handrechen: Eine neue Perspektive

In den letzten drei Wochen habe ich mit der Hand tausend Quadratmeter Wiese von Moos befreit. Mit einem benzingetriebenen Vertikutierer wäre das in 2 Stunden erledigt gewesen. Die sinnlose Plackerei war erholsam, erkenntnisreich und umsatzsteigernd.

Moos händisch ausrupfen bringt Flow

Wichtigstes Element zum Mooszupfglück war „Kontakt zum Moos“, auch wenn das ein bissel zynisch klingt. (Fürs Moos ist der Kontakt der Anfang vom Ende) Für mich macht es einen großen Unterschied, ob ich die Wiese mit viel Kraft traktiere und Furchen in den Rasen ziehe wie ein Wildschwein bei der Futtersuche, oder ob ich das Moos mit Gefühl rausfrisiere und merke, wann die kleinen Würzelchen beginnen, sich aus dem Boden zu lösen. Letzteres ähnelt eher einem Meditations-Retreat als einer Arbeit.

Meditatives Mooszupfen öffnet den Geist für Ideen

Wahrscheinlich weil ich eben nicht an die Arbeit dachte, kamen laufend Ideen zu meinem Brotjob (Organisationsberatung). Zugeflogen sind mir:

  • Ideen für Methoden, mit denen die Klausurtagung einer unzufriedenen Abteilung gut über die Bühne gegangen ist (Für Kolleg:innen: Impromptu Networking, Gebrauchsanweisung für mich selbst, Mini Open Space)
  • ein Weg zur Entwicklung eines Gewaltschutzkonzepts für eine Einrichtung der Behindertenhilfe
  • die Kernideen für einen Workshop, den ich noch aus dem  Garten „verkaufen“ konnte. Zum Glück hatte ich das Mobiltelefon dabei (Bilanz und Ausblick für Mitarbeiter:innen 50+).

Auf das gucken, was ich gerade tue, statt auf das, was noch zu tun ist

Der größte Flowkiller ist „was schaffen wollen“. Wenn ich auf die Fläche gucke, die noch zu zupfen ist, wirds mühsam. Dann will ich „Quadratmeter machen“ und fange an, ungeduldig herumzureißen. Wenn ich dagegen den Moment genieße, staune ich, wie viel Zeit vergangen ist, ohne dass es mir lang vorkam und wie viel Fläche durchgejätet ist. Während der drei Wochen habe ich gemerkt, dass das auch für andere Arbeiten gilt. Bei der Sache sein ist besser als „fertig werden wollen“.

Die Wahl des Instruments macht einen großen Unterschied

Angefangen habe ich mit den Fingern. Das ist natürlich die supersensible Methode, aber auch die langwierigste. Dann arbeitete ich mit einem Dreizack, bis ich durch Zufall in einer Ecke des Schuppens den ollen Handrechen entdeckte. Mit dem ging es besser als je zuvor. Kurzfristig spielte ich mit dem Gedanken an einen High-End-Rechen (handgeschmiedet, Eschenholzgriff) aber warum. Letztlich können die auch nicht mehr.

Monotone, selbstgewählte Tätigkeit bringt Ideen

Beim Mooszupfen sind mir laufend Ideen zu meinem Brotjob (Organisationsberatung) gekommen, wahrscheinlich weil ich eben nicht an die Arbeit dachte. Mir sind unter anderem eingefallen:

  • Methoden, mit denen die Klausurtagung einer unzufriedenen Abteilung gut über die Bühne gegangen ist (Für Kolleg:innen: Impromptu Networking, Gebrauchsanweisung für mich selbst, Open Space für Belastungsthemen)
  • ein Konzept zur Entwicklung eines Gewaltschutzkonzepts für eine Einrichtung der Behindertenhilfe
  • die Kernideen für einen Workshop, den ich noch aus dem Garten „verkaufen“ konnte (Bilanz und Ausblick für Mitarbeiter:innen 50+)

Ein System macht die Arbeit überschaubarer

Bei meinen ersten Versuchen stürzte ich mich auf die dicksten Moospolster. Mal hier, mal dort. Mit dem Effekt, dass mir die Aufgabe unlösbar erschien. 1000+ Quadratmater mit dem Handrechen – das ist ja ein Jahresprojekt. Jetzt nehme ich mir gezielt Teil-Flächen vor. Zwischen diesen vier Maulwurfshügeln. Zwischen Wäschespinne und Johannisbeeren. Etc. Gilt auch für meinen Brotjob. Für ein aktuelles Beratungsprojekt habe ich zwölf Dokumente angelegt statt wie bisher nur eines. Und sehe mit einem Blick, wo ich stehe.

Frische Luft mit Sinn – obwohl: muss das sein?

Ein bisschen habe ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich viel auf dem Schreibtisch habe und dann raus gehe. An die Luft gehen kann ich mit meinen „inneren Antreibern“ eher vereinbaren, wenn es „Sinn“ hat. Und dann wird es eh oft produktiv – siehe oben. Vielleicht ist das Moosrupfen aber auch der Einstieg in zweckfreies Tun. So ähnlich wie die Sandbilder buddhistischer Mönche, mit denen sie sich viel Mühe machen, und die dann nur kurzlebig sind.
Schlusssatz gibts keinen. Es ist noch Moos im Garten.

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