Innere Multiplizität beim Schreiben

Die letzen Tage war eher so ein strenger innerer Zuchtmeister am Ruder, der forderte, dass hier veröffentlichte Gedanken „Hand und Fuß“ haben müssten. Einen Anfang, ein Ende, einen stringenten Gedankengang. Der Effekt war einigermaßen verheerend. Ich habe fast eine Woche lang gar nichts publiziert. Obwohl in meinem Journal genug Ideen für einen Monat Atomic Essays stecken.

Es gibt einige Konzepte in der Psychologie für innere Uneinheitlichkeits. Im Prinzip ist es etwas ganz Normales. Es läuft unter „Inneres Team“ oder „Innere Pluralität“ z.B. bei Friedemann Schulz von Thun, oder unter „Innere Multiplizität“, „Innere Anteile“ in der Hypnotherapie, z.B. bei Gunther Schmidt.

In den letzten Tagen habe ich diese innere Multiplizität beim Schreiben erfahren. Es gibt mindestens zwei, die beteiligt sind. Beide haben Stärken und Schwächen.

Der eine Anteil ist ein quirliger Schreiber, schnell begeistert, immer wieder mit starken Formulierungen. Was er nicht so gut kann, ist stringent bei einer Sache bleiben oder einen logischen Faden spinnen. Er kommt beim Schreiben von Hölzchen auf Stöckchen, hier ein Seitenthema, da ein Nebenpfad.

Der andere ist der Zuchtmeister von oben. Er achtet auf die Schlüssigkeit von Gedankengängen, weist auf Lücken und Unlogisches hin und hat auch was Sherlock-Holmes-mäßiges, wenn er nachforscht, worum es eigentlich gerade geht. Nachteil: er ist ein staubtrockener Formulierer, der eine Spur von entseelten Sätzen hinterlässt.

Diese beiden Anteile haben in der letzten Woche gegeneinander gearbeitet. Der eine hat die Arbeit des anderen schlecht gemacht. „Das ist ja eine glatte Themaverfehlung!“ nörgelt der eine, während der andere die Augen verdreht, weil in drei Sätzen hintereinander nur „ist“ als Verb vorkommt. Oder er ist sauer, weil der andere drei schöne Formulierungen zertrampelt hat, weil sie „nichts zum Fortgang beitragen“.

Gunther Schmidt, mein Hypnosystemik-Hero, würde vielleicht sagen, dass die beiden nicht optimal koordiniert sind. Sie arbeiten gegeneinander statt miteinander. Wie können sie besser zusammen arbeiten? Das wird noch eine spannende Frage. Einige erste Ideen dafür:

Indem sie einander nicht abwerten. Das wäre schon mal ein guter Anfang. Beide haben etwas zu bieten. Wenn der eine nur über den anderen herzieht, was der schon wieder für einen Topfen abgeliefert hat, leide ich als derjenige, in dem sie sich zanken. Die Alternative – mein gewünschtes Ergebnis, um wieder mit Gunther Schmidt zu sprechen – wäre gemeinsames Forschen und Experimentieren.

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